„Des daad mi ‚moi jucka“
Bleibt Martina Schwarzmann mit zwei Kleinkindern und einer Landwirtschaft am Bein vielleicht keine Energie mehr für skurrile Lieder?
In der ausverkauften Henfenfelder Sporthalle bewies die Oberbayerin: Die Fans müssen sich keine Sorgen machen. Die heuer mit dem Salzburger Stier ausgezeichnete Kabarettistin ist im Gespräch mit dem Publikum präsenter und verrückter denn je.
„Wennst du erst Mutti bist, wirst auch sanfter“, haben ihr Freundinnen prophezeit. Aber: „Ich spür es gar net“, sagt Schwarzmann. Und das Publikum, das zu „Wer Glück hat, kommt“, gekommen ist, spürt es auch nicht. Die Schwarzmann sitzt da zwar mit Zopf und Hornbrille, geschlossener Blümchenbluse und geschlossenen Beinen, züchtig wie eh und je. Aber ihre (Alp-)Träume sind voller Gewalt, Hass und Sex – und trotzdem so charmant wie schräg.
Und könnte sich mal eine anwesende Bevölkerungsgruppe doch getroffen fühlen, dann entschuldigt sich die Frau an der Gitarre schon vorab: bei den Radlern, weil sie nur denen eine Kollision mit ihrem Pkw samt anschließendem offenen Beinbruch wünscht, die in Vierer-Kette den Verkehr behindern; bei den Babybacke zwickenden Omas, weil sich ihre Titulierung als „üble Fressen“ halt gerade so gut gereimt hat. Diesen übergriffigen Alten, die jedes fremde Kleinkind am Spazierweg für sich beanspruchen, würde die junge Mutter schon mal gern statt des eigenen Babys einen aufgetauten Hasenbraten im Kinderwagen präsentieren. Auch da muss man erst mal draufkommen.
Mutter Schwarzmann mag zwar bedauern, dass sie als Bauerskind nie in Urlaub fuhr und selbst Tagesausflüge statt im Spaßbad am Spazierweg endeten. Mit den Schwalben wäre sie damals gern nach Italien und Afrika geflogen. Andererseits hat diese frühe Reizarmut Martinas Synapsen viel Raum für kuriose Schaltungen gelassen – was uns heute eine Kabarettistin beschert, die Politik und Weltgeschehen für ihre Themen und Botschaften nicht braucht.
Allein ihre Darstellung, was sie alles bei einem Fernsehauftritt im Wohnzimmer der Zuschauer erblicken könnte, reicht für Lachsalven in der Henfenfelder Halle. Die Idee, Maulwürfe mit einer laut gespielten Hansi-Hinterseer-CD zu vertreiben, sollte sie patentieren lassen. Und ihr Lied über den „gscheckerten Tschüppel“, das bunte Strähnchen, das sich die brave Hausfrau jetzt von der Friseuse reindrehen lässt, illustriert am Detail das ganze Elend nicht gelebter Lebensentwürfe: Der Schübel kann den faden Alltag nicht wirklich verändern.
Hingegen sollte man die eine oder andere schräge Schwarzmann-Idee („Des daad mi moi jucka“) vielleicht mal austesten: Als Zeugin Jehovas an der Wohnungstür mit dem Playboy in der Hand: „Wollen Sie mit mir über Sex reden?“ Beim Edeka an der Kasse laut über Kondome und Vaseline plaudern. Oder am Badesee mit dem Intimpiercing… Sorry, einen solchen Gag kann nur eine züchtige Schwarzmann auf der Bühne vortragen.
„Der Schmarrn weiß seit Jahren, dass ich empfänglich bin für ihn“, erklärt sie ihren Stil, die Dinge oft „andersrum“ zu betrachten. Und kündigt schon ihr nächstes Programm an, wo der Fuchs angesichts des Giga-Stalls mit 20 000 Hühnern an Burn-out leidet und der Luftballon sich freut, dass der Igel nicht fliegen kann. Schwarzmann beherrscht mittlerweile das (auch spontane) Gespräch mit dem Publikum und weiß in ihren Erzählungen die Pointen zu setzen. Aber wenn sie dann wieder zur Gitarre greift, ist sie doch am besten.